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ISURA

[ Wettbewerb  OPZ München]

Die Isar schlängelt sich in unmittelbarer Nähe des Klinikums durch die Stadt und prägt jahrein, jahraus das Leben der Menschen. Als realer Sehnsuchtsraum und als symbolisches Denkmal für das Vergehen der Zeit und den Kreislauf der Natur, bietet sie Rast und Kraft für den Geist und die Seele.
Das fließende Wasser ist ein Sinnbild für das Wissen der Menschheit, für den ständigen Wandel, für die sprudelnde Neugier und für die notwendige Veränderung.
Der Name der Isar wurde 763 n. Chr. im „Traditionsbuch“ des Hochstifts Freising ersturkundlich erwähnt und kommt aus dem indogermanischen [*is  [*es] ] und bedeutet fließendes Wasser.
Im Osthof zwischen dem Neubau des OPZ und dem Containerbau bespielen wir dessen Fassade mit einer großflächigen Glasinstallation. Ein hochauflösendes Orthofoto der Isar, welches den unmittelbar in der Nähe befindlichen Abschnitt der Flusslandschaft zeigt, wird von der horizontalen Sichtweise befreit und zum vertikalen Raumerlebnis. Das Wasser des Flusses rauscht entlang der Fassade durch den Wintergarten zum Freisitz. Der 20m lange Bilderfries flankiert den Osthof und ist durch die Glasfenster des Foyers als vollflächige, farbige Bildinstallation ein stimmungsvoller Begleiter auf den Weg durch das OPZ.
Durch die facettenreichen Farbnuancen der Isar und durch die Wahl des Maßstabes, wird aus der Flusslandschaft ein abstraktes Bild, welches Wasser, Wellen, Wolken oder Himmel gleichermaßen zeigt und unzählige Assoziationen zulässt.
Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München widmet sich der Krankenversorgung, Forschung und Lehre, es ist ein Haus der Supra-Maximalversorgung, welches das gesamte Spektrum moderner Medizin abdeckt. Das Wissen aus vielen Jahrhunderten und von unzähligen Forschern und Gelehrten, ermöglicht es für einige Zeit an der evolutionären Astspitze das Fundament für zukünftige Erfolge und medizinische Meilensteine mitzugestalten. Das vernetztes Wissen und die mutige Forschung verschieben die Grenzen des Machbaren, sowie Denkbaren und gleichen einem ständig voranstrebenden Fluss, welcher ein Versickern und Scheitern in Kauf nimmt - wohlwissend, dass alles wieder von vorne beginnt. Eine „Bejahung des Vergehens“ im Glauben an eine bessere Zukunft.
Die Wellenbecken und kleinen Staustufen der Isar zwingen dem Wasser einen eigenen Rhythmus und Geschwindigkeit auf, es entstehen im Wasser Wirbel Wellen und Walzen. Diese internen Kreisläufe und Schleifen, diese Orte des Umbruches spiegeln wir anhand von ca. 3,2m hohen und 12cm breiten drehbaren Glasröhren (Macrolon) im Zentrum unserer Installation wider. Diese aus der Zeit gefallenen Phänomene unterbrechen den Fluss der Geschichte und schaffen inspirierende Ruhepole, welche uns die Möglichkeit bieten in die Vergangenheit zu schauen. Diese Zylinder gleichen antiken Schriftrollen und zeugen von den Errungenschaften und den Sichtweisen früherer Zeiten. Jede Steele steht für eine Epoche oder einen Wendepunkt in der Medizingeschichte und erzählt wie eine antike Siegessäule von den Heldentaten der jeweiligen Zeit.

Antike medizinische Texte sind Quellen für die wissenschaftsgeschichtliche und kulturhistorische Forschung und zugleich Zeugnisse der Literatur. Wir beginnen unsere Text-Reise mit den ältesten vollständig erhaltenen Werken des koischen Arztes Hippokrates (um 460 - 370 v. Chr.) und kommen mit den ‘Cyborgs' an unser vorläufiges Ziel. Spätantike Schriften fließen ins Mittelalter ein und prägen die Renaissance, über den Barock plätschern wir zur Aufklärung, erreichen den Humanismus und im Fahrwasser der Kolonialisierung lassen wir die Folgen der Industrialisierung hinter uns -  und treiben in die Wirbel der von Kriegen geprägten Epoche des 20. Jahrhunderts um einen Blick in die Zukunft zu werfen.
Der Text der einzelnen Rolle schlängelt sich in Spiralform nach unten. Die Lesegeschwindigkeit wird durch die Drehbewegung bestimmt - jeder kann seine Geschwindigkeit selbst wählen.
Die Buchstaben sind in das Glas graviert und ergeben ein Buchstabenrelief auf den transluzenten Gläsern, welche von der Ferne wie Wassertropfen mit der Schwerkraft zu spielen scheinen. Ausgewählte Grafiken und medizinische Skizzen lockern das Wellenbild auf. Das dahinterliegende Foto der Isar verschwimmt mit den Wissenstexten. Ein leichtes Berühren der Schriftrollen bringt sämtliches Wissen in Bewegung und mischt die Buchstaben mit den Pixeln zu einer strahlend leuchtenden Ursuppe und schafft somit die Basis für einen Neubeginn im Laufrad der ewigen Wiederkehr.
An den Glaselementen des Freisitzes greifen wir das Bild der Isar wieder auf. Transparente, farbig leuchtende Fotos auf der Außenseite und eine gespiegelte Variante auf der Innenseite der Brüstung erzeugen einen verschwommen abstrakten Blick auf und in den Fluss.
Der Eingangsbereich und die Magistrale weisen bereits eine architektonische Verbindung mit der Isar auf und wir würden deshalb auf eine künstlerische Intervention verzichten. Im Foyer können aber sehr wohl einzelne Glaselemente an den Wänden das Spiel mit der Isar zeigen und fortsetzen.
Die gesamte Installation soll mit LEDs hinterleuchtet werden und erzeugt so in der Dunkelheit einen weithin sichtbaren Lichtblick.
Die Motive der Schriftrollen können an ausgewählten Tagen auch mit anderen Motiven zeitweilig bespielt werden, farbig oder thematisch, mit Text oder Bild (Click and Drop System).
Ebenfalls kann man bei einem Abbruch des OP-Containers die gesamte Installation des Osthofes in Einzelteile zerlegen und ins Gebäudeinnere verfrachten. An ausgewählten Positionen können dann die Farben der Isar erneut von den Wänden strahlen und die Gedanken zum Fließen bringen.



 

OPZ München

2021

Glas / Edelstahlkonstruktion

24,20 m x 3,60 m

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